800 Jahre Langenholzen
Das Dorf Langenholzen ist seit der Eingemeindung im Jahre 1974 ein Ortsteil von Alfeld an der Leine. Es kann jedoch auf eine lange eigene geschichtliche Tradition zurückblicken. Langgestreckt liegt es im Warnetal, einem Seitental der Leine nordöstlich von Alfeld, inmitten der sog. Sackmulde zwischen den Sieben Bergen und dem Sackwald.
Obwohl es im Jahre 2005 sein 800-jähriges Bestehen feiert, ist das lediglich der Zeitpunkt seit der ersten Erwähnung in einer Urkunde. Das Dorf ist aber mit Sicherheit noch sehr viel älter, und eindeutige Funde von den Hängen nordwärts des Gottesbrunnens weisen darauf hin, dass eine Besiedlung des Langenholzer Tales bereits in der Mittelsteinzeit, etwa 9000 bis 8000 v. Chr., begonnen hat. Hier im Warnetal haben sich Jäger aufgehalten, um ihren Wasserbedarf aus der Quelle (heute Gottesbrunnen) und ihren Nahrungsbedarf aus dem Fischreichtum der Warne und aus dem Wildbestand der Bergwälder zu decken. Zahlreich gefundene Feuersteinwerkzeuge wie Pfeilspitzen, Messer und Schaber, aber auch aus Hirschgeweihen gefertigte Harpunenspitzen und Nadeln, weisen auf die Lebensform der Jäger hin.
In der Jungsteinzeit, etwa 5000 bis 2000 v. Chr., und Bronzezeit, 2000 bis 800 v. Chr., begann dann schon der Weg zur Bauernwirtschaft. Die Bergwälder wurden zur Viehhude genutzt - Rinder, Schafe und Schweine trieb man hinein - und erste Formen der Bodennutzung waren zu erkennen. Aus den Sammlern und Jägern wurden seßhafte Bauern, welche die günstige Lage des Warnetales nutzten. So entwickelte sich Langenholzen schließlich zum Bauerndorf.
Im 12. und 13. Jahrhundert haben die Landesherren - in unserem Fall der Bischof von Hildesheim - grundherrschaftliche Forsten zum Roden freigegeben, um landwirtschaftliche Nutzflächen zu gewinnen. Ziel dieser Maßnahme war es, die Abwanderung der Bevölkerung nach Osten zu verhindern und neue Einwanderer anzuziehen. Dabei wurden neue Dörfer gegründet, wie z. B. Sack, Rott, Marienhagen, Capellenhagen, aber auch bestehende durch Rodungen erweitert. Zu diesen gehört auch Langenholzen, das damals noch „Holthusen“ hieß. Holthusen ist von Holt (Holz=Wald) und Husen (Häuser) abgeleitet und bedeutete einfach nur „Häuser im Wald“.
Wenn wir heute davon ausgehen, daß Langenholzen etwa 800 Jahre alt ist, ist damit der Zeitraum seit der Umwandlung in ein Hägerdorf gemeint. Wie alt das Dorf Langenholzen tatsächlich ist, läßt sich nicht genau bestimmen, doch der Ortsname „Holthusen“ deutet auf eine frühe Siedlung hin, die schon vor der im 10. Jahrhundert stattgefundenen Christianisierung bestand.
Während bis zu diesem Zeitpunkt Holthusen ein Haufendorf mit nur einigen Höfen war, entstanden nun neue Höfe zu beiden Seiten entlang der Warne. Aus dem Haufendorf entstand ein langgestrecktes Dorf, das dann als Langenholthusen bezeichnet wurde.
Die Neubauern wurden Hägerleute genannt, weil sie ihre Felder durch Hecken (Hagen) eingrenzten, und die Dorfform dementsprechend „Hägerdorf“. Die Rodungssiedler genossen im Gegensatz zu den Altsiedlern besondere Privilegien und hatten eine eigene Gerichtsbarkeit, deren Regeln uns heute etwas seltsam erscheinen, jedoch für damalige Verhältnisse den Siedlern sehr viele Freiheiten einräumten.
Der älteste Teil des ursprünglichen Dorfes ist der Burghof. Im oberen Teil des Burghofes, unter der rechten dort stehenden Kastanie, liegt der Hottenstein (eine Kalksteinplatte), der nach bisherigen Erkenntnissen schon vor der Hägerdorfzeit den Ortskern (Thie) markierte. Er diente schon in germanischer Zeit als Gerichtsstein. Seinen Namen erhielt er nach dem 30-jährigen Krieg, weil auf ihm jährlich zum Hagelfeiertag eine Schulspeisung (sog. Hotten) an die Schulkinder verteilt und auf diesem tischähnlichen Stein serviert wurde. Dieser Brauch wurde bis Anfang des 20. Jahrhunderts fortgesetzt und in den letzten Jahren wieder belebt.
Eines der interessantesten Bauwerke dieser Gegend ist die Bonifatius-Kirche. Das genaue Baujahr läßt sich nicht mehr bestimmen. Im 12. Jahrhundert entstand zunächst ein Wehrturm in den Außenmaßen von 8 x 8 Meter. In ihn hinein wurde die Kapelle mit der noch heute deutlich erkennbaren romanischen Prägung hineingebaut, während in der oberen Etage die Dorfbewohner Schutz finden konnten. Noch heute führt in der Nordwand eine Steintreppe in die oberen Turmgeschosse, die ehedem in Zeiten der Gefahr den Einwohnern als letzte Zufluchtsstätte dienten. Wir haben es hier mit einer kleinen romanischen Wehrkirche ältester Prägung zu tun, die raummäßig zur Zeit der Erbauung den Ansprüchen der an Einwohnerzahl geringen Gemeinde Holthusen genügte. Erst im Zuge der Binnenkolonisierung, als die 26 Hägerbauernhöfe entstanden, war die Kirche zu klein geworden. Etwa um 1300 wurde deshalb das dreijochige Langschiff in frühgotischem Stil an den Turm angebaut. Der Einbau der Kapelle in den Wehrturm und die Ausrichtung des Kirchenschiffes nach Westen - vermutlich aus statischen Gründen - ist sehr ungewöhnlich. Normalerweise müßte das Kirchenschiff nach Osten angebaut sein und der Haupteingang durch den Turm in die Kirche führen. Zum ersten Mal erwähnt wird die Kirche in einer Urkunde aus dem Jahre 1205. In diesem Schriftstück wird auch erstmals das Dorf „Holthusen“ erwähnt. Deshalb gilt dieses Jahr heute offiziell als das Entstehungsjahr, obwohl aus der Urkunde hervorgeht, daß Holthusen zu dem Zeitpunkt bereits längere Zeit bestanden haben muß.
Heute - 800 Jahre später – gibt es nur noch wenige aktive Bauernhöfe im Dorf, doch das Dorfgemeinschaftsleben ist ungewöhnlich stark ausgeprägt. Die landschaftlich reizvolle Lage zwischen den Bergen zu beiden Seiten der Warne garantiert eine gute Wohnqualität. Darum ist Langenholzen mehr als nur ein Ortsteil von Alfeld. Es ist „unser“ Dorf.
Wulf Köhn